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MÜLLER, CARL FRIEDRICH: 'Reise-Buch'. Handschriftliches Tagebuch der Bildungsreisen des 19-jährigen Berliners, die ihn in den Jahren 1855 bis durch Deutschland und Österreich, in die Niederlande und nach Belgien brachten. Braune Tinte auf Papier, Blattgröße 17,3 x 10,5 cm. Seite 1 bis 90 beschrieben, Seite 91 bis 227 unbeschrieben, 1 aquarellierte Bleistiftzeichnung, Seite 229 bis 235 unbeschrieben, Seite 236 bis 260 beschrieben, 2 Blätter mit Zeichnungen in Tusche und Bleistift, 2 Seiten (Register). Halbleder-Band der Zeit mit handschriftlichem Rückentitel ('Reisen 1855') und handschriftlichen Titelschild und Eintrag auf dem vorderen Schnitt (RB.C.M. Berlin), Kanten berieben, Ecken bestossen.

"Carl Friedrich Müller, geboren am 13. Januar 1836 in Berlin, brach am 8. August 1855 zu einer dreijährigen Bildungsreise auf. Sein Reisetagebuch beginnt mit der ersten Etappe: ""4 Meilen bis Potsdam"", es folgen Wittenberg, Dessau, Zörbig, Halle, Leipzig, Dresden, Bautzen, Görlitz, Breslau u.v.a.m. Alle besuchten Orte sind im Text unterstrichen und in einem Intinerar erfasst. Müller vermerkt in meist kurzen Einträgen die Bedeutung der Städte, ihre Einwohnerzahl und topographischen Besonderheiten. Am 15. Novemer 1855 erreicht er Wien. (ab S. 9). Der österreichischen Hauptstadt widmet er einen 18-seitigen Eintrag: er beschreibt ihre Einwohner, die Stadtstruktur, Sehenswürdigkeiten und Märkte - ein interessanter Einblick in die Bedeutung Wiens in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Ein Nachtrag ergänzt den Eintrag durch Zahlen aus der ""neuesten Zählung Wiens 1858'. Dem folgt auf der folgenden Seite der Eintrag ""Abreise von Wien 3. März 1858"". Ob sich Müller tatsächlich von November 1855 bis März 1858 in Wien aufgehalten hat oder ob er bei einem zweiten Aufenthalt in Wien ohne Schilderung der Anreise mit dem Tagebuch wieder eingesetzte war für uns nicht zu klären. Am 3. März 1858 reiste er auf jeden Fall von Wien aus weiter und skizzierte wiederum in kurzen präzisen Angaben seine Reiseroute, die ihn auf dem Rückweg nach Berlin unter anderem nach Linz, Salzburg, München, Regensburg und zur ""berühmten Walhalla"" brachten. Am 2. April erreicht er Nürnberg und reist weiter über Bamberg, Coburg, Weimar, Naumburg und Merseburg nach Berlin, wo er am 15. Mai eintrifft. Bemerkenswert ist, dass er auch Berlin, ""Residenz des Königs von Preußen"", auf vier Seiten beschreibt - vielleicht war er ja tatsächlich fast 3 Jahre lang fern der Heimat unterwegs. Berlin ""hat schöne und große Plätze mit vielen Statuen"". Er erwähnt die Universität, das anatomische und zoologische Museum, die kl. Bibliothek, die katholische Kirche, die Neue Wache, die ""berühmten Linden"", den Molkenmarkt, den Alexanderplatz, am Lustgarten das ""Museum für Alles, das größte in Europa"" u.v.a.m. Im August 1859 bricht er von Berlin zu einer weiteren Reise auf, die ihn Richtung Sachsen und erneut nach Süddeutschland, in die Großherzogtümer Baden und Hessen und ins Herzogtum Nassau führen. Etwas ausführlicher ist sein Bericht über Heidelberg am Neckar, in dem er auf das Schloss, die Universität und einzelne Kirchen eingeht und die Namen der Baumeister nennt. Auch Mainz beschreibt er auf 3 Seiten, dort besteigt er am 13. Mai 1860 das moderne ""Schnelldampfschiff Prinzessin von Preußen"", um seine Fahrt nach Köln auf dem Rhein fortzusetzen, wobei er sich Notizen zu den bekannten Rheinorten machte. Er kommt nach Belgien und in die Niederlande, erwähnt Lüttich, Maastricht und Rotterdam. Ausführlicher ist seine Beschreibung von Bückeburg, Eilsen und Bremen. Im Mai 1866 begibt er sich ins Fürstentum Schaumburg-Lippe und besucht Hannover. 1867 kehrt er nach Berlin zurück und fügt seinem Bericht den Hinweis bei, die Stadt habe seit 1858 weitere 112.000 Einwohner hinzubekommen (bis S. 90). Nach über 100 unbeschriebenen Seiten finden wir eine schöne aquarellierte Zeichnung mit dem Blick aus einem Fenster, die Bildunterschrift ""Berlin Wallstr. 23"" gibt möglicherweise Auskunft über den Berliner Wohnort des jungen Bildungsreisenden. Das Aquarell zeigt eine fast kleinstädtisch wirkende Idylle: Häuser mit roten Ziegeldächern, kleine Gärten und einen Kirchturm. Die genannte Adresse liegt am Spreekanal in Berlin-Mitte, nahe dem Märkischen Ufer. Nach wenigen unbeschriebenen Seiten folgt der 26-seitige chemische Teil der Aufzeichnungen. Müller behandelt Vergoldung mit Königswasser, den ""Vergoldungsapparat (Elsner)"" (vergl.: C. Elsner, Praktische Untersuchungen über die galvanische Vergoldung und Versilberung. Polytechnisches Journal, 1843, Band 88, Nr. IX., S. 30-47), warme und kalte Versilberung, Verkupferung, Verbleiung, Galvanoplastik u.a. für Holzschnitte, auch das Überziehen der ""Blumen, Blätter, Früchte, Insekten"" mit Kupfer, Laugen, ""Ätze"" u.a.. Dem folgen 9 Seiten mit chemischen Formeln und 2 Seiten mit Illustrationen u.a. zum ""Vergoldungsapparat""."
Preis: 1700 EUR